Veranstaltung: | 39. Landesparteitag Grüner LV Sachsen-Anhalt |
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Tagesordnungspunkt: | 5. Anträge zum Landesparteitag |
Antragsteller*in: | LFG Land- und Forstwirtschaft, KV Burgenlandkreis (dort beschlossen am: 10.08.2017) |
Status: | Geprüft |
Eingereicht: | 10.08.2017, 19:24 |
A-4: Streuobst – nicht nur ein wertvolles Habitat
Antragstext
Der Landesparteitag möge beschließen:
Streuobstanbau ist ein wichtiges Element naturnaher Landbewirtschaftung. Er
verweist auf vielfältige traditionelle Anbausysteme, prägt charakteristische
Kulturlandschaften, und bietet Lebensraum für eine große Vielfalt an Flora und
Fauna. Streuobstanbau wird weitgehend ohne chemisch-synthetischen Pflanzenschutz
betrieben. Die Potentiale der Filterwirkung und Abschirmung gegen Obstschädlinge
und -krankheiten in vielfältig mit Obst- und anderen Baumarten gemischten
Beständen bedürfen auch stärkerer wissenschaftlicher Beforschung. Unter den
gegenwärtigen wirtschaftlich-technischen Rahmenbedingungen, und auch in Folge
einer verfehlten EG-Politik zur Förderung der Plantagenwirtschaft durch Prämien
für die Rodung von Streuobstanlagen in den 1970er Jahren, bedarf der
Streuobstanbau heute der besonderen Fürsorge und Förderung durch die öffentliche
Hand. Ziel grüner Politik muss es sein, vor allem im Hinblick auf den
gewünschten Ausstieg aus dem chemischen Pflanzenschutz auch im Obstbau, die oben
erwähnte verfehlte Politik wieder zugunsten von Streuobstanbau umzukehren.
Streuobstwiesen sind Bildungsorte und sollten als solche genutzt werden. Die
praktische und theoretische Erläuterung von Pflanzen, Umwelt und Landwirtschaft
kann so gut gelingen.
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN setzen sich für das Konzept "Bildung für nachhaltige
Entwicklung" ein und werden insbesondere auch Streuobstwiesen dabei einbeziehen.
Die Vorteile des Streuobstanbaus sind vielfältig:
Erhalt der genetischen Ressuorcen und damit Grundlage für die zukünftige
Züchtung, auch
- vor dem Hintergrund eines sich verändernden Klimas
- Erhalt des Lebensraumes einer Vielzahl von Pflanzen und Tieren
- Ort der Bildung über natürliche Kreisläufe und Habitate
- Erhalt von jahrhundertealten Kulturlandschaften und Traditionen im
ländlichen Raum
Neben der Erhaltung von Streuobstanlagen aus naturschutzfachlichen
Gesichtspunkten brauchen wir eine Weiterentwicklung solcher Anbausysteme, z.B.
eingebettet in moderne Agroforstsysteme, sowie neue Bewirtschaftungs- und
Vermarktungskonzepte.
Hier sind auf allen politischen Ebenen von der EU bis in die Landespolitik
Fördermaßnahmen sowie begleitende Forschung in Einrichtungen des Bundes und der
Länder erforderlich.
Um eine maximale Flexibilität innerhalb vielfältiger Anbausysteme bis hin zu
modernen Agroforstsystemen zu gewährleisten, muss die Streuobstförderung
unabhängig von und frei kombinierbar mit anderen Agrarumweltmaßnahmen, z.B. im
Grünland- und Weidebereich, erfolgen.
Wir fordern, die Streuobstförderung auf mehreren Säulen aufzubauen, die allen
naturschutz-fachlichen sowie den produktions- und vermarktungsorientierten
Aspekten gerecht werden
- Die Forschung im Obstbaubereich fokussiert gegenwärtig fast ausschließlich
auf die Plantagenwirtschaft und den dort herrschenden hohen Druck von
Schädlingen und Krankheitserregern. Möglichkeiten, diesen durch
vielfältiger gestreute Anbausysteme zu reduzieren, sowie innovative
Bewirtschaftungs- und Vermarktungsmethoden in vielfältigen Anbausystemen
müssen stärker in den Fokus der Wissenschaft kommen Dies muss sowohl in
der Auslegung von Programmen zur Forschungsförderung sowie in der
Ausrichtung der Landes- und Bundesforschung Niederschlag finden.
Monitoring und Überwachung der Förderprogramme müssen mehr ergebnisorientiert
als auf formalen Kriterien aufbauend erfolgen.
Außerdem bitten wir das Umweltministerium, sich für eine Aufnahme von
Streuobstwiesen (- Anlagen) in das Bundesnaturschutzgesetz einzusetzen.
Begründung
Die naturschutzfachliche Bedeutung von Streuobst steht außer Frage. Die hohe Artenvielfalt (ca. 2700 Tierarten) in Streuobstwiesen wurde erst kürzlich durch eine Studie in Sachsen-Anhalt dokumentiert.
Darüber hinaus sehen wir den Streuobstanbau, vor dem Hintergrund unserer Forderung nach einem Ausstieg aus dem chemischen Pflanzenschutz, als Schlüssel für einen nachhaltigen, chemie- und kupferfreien Obstanbau. Als Kombination von Mono- und Dauerkultur ist der heutige Plantagenobstbau extrem durch Krankheiten und Schädlinge gefährdet. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Plantagenobstbau übertrifft bei weitem alle anderen land- und gartenbaulichen Produktionsrichtungen. Im ökologischen Obstbau werden statt chemisch-synthetischer Pestizide kupferhaltige Mittel eingesetzt, deren Umweltwirkungen mindestens ebenso kritisch zu sehen sind. Natürlicherweise kommen Wildobstarten eingestreut in artenreiche Waldbestände vor. Wir erwarten von Streulagen und Mischanbau eine natürliche Abschirmung und Filterwirkung gegen Krankheiten und Schädlinge des Obstes. Auch heute werden Streuobstanlagen meist nicht gespritzt.
Streuobstanbausysteme werden anbausystematisch den Agroforstsystemen zugerechnet. Traditionell sind silvopastorale (Kombination mehrjähriger Gehölze mit Grünland und Weidewirtschaft) und silvoarable (Kombination mehrjähriger Gehölze mit Ackerwirtschaft) Agroforstsysteme bekannt. In Deutschland am bekanntesten ist die traditionelle Streuobstwiese. Allerdings finden neuerdings Agroforstsysteme in Verbindung mit Ackerbau wieder zunehmendes Interesse. Streuobst kann daher in vielfältige Anbausysteme eingebettet werden. Die Förderung sollte dies berücksichtigen und auf die Streulage von Obstbäumen unabhängig von der Unternutzung fokussieren. Die Streuobstförderung muss mit Förderungen weiterer Agrarumweltmaßnahmen (z.B. Grünlandförderprogramme) frei kombinierbar, aber von diesen unhabhängig sein.
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